Rapide steigende Gaspreise - Verbraucherschützer warnt: „Untere Mittelschicht wird an Armutsgrenze stoßen“
Die Bundesnetzagentur warnt vor „riesigen Preissprüngen“ beim Gas. Verbraucherschützer und Forscher sehen schon jetzt drastische Konsequenzen für die Verbraucher.
Berlin – Vergangene Woche hat die Bundesregierung die zweite Krisenstufe im Notfallplan Gas, die sogenannte Alarmstufe, ausgerufen. Dieser Notfallplan wurde noch nie in der Bundesrepublik aktiviert. Er sieht eine enge Beobachtung des Gasmarkts und strenges Gassparen vor. Erst in der dritten Stufe greift der Staat in den Markt ein.
Bundesnetzagentur warnt vor „riesigen Preissprüngen“ beim Gas
Die Bundesnetzagentur warnt in diesem Zuge vor „riesigen Preissprüngen“ beim Gas. „Verdoppeln bis verdreifachen kann je nach Gebäude drin sein“, sagte Behördenchef Klaus Müller vergangenen Freitag. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schwor das Land auf einen harten Winter ein – und rief erneut zum Energiesparen auf. Wegen der sich verschärfenden Lage wurden Forderungen nach einem Gaspreisdeckel und einem höheren Mieterschutz laut.
Derzeit würden noch die Gaspreissteigerungen des vergangenen Herbstes und damit aus der Zeit vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine weitergegeben, gab Müller in der ARD zu bedenken. Schon dies bedeute Preiserhöhungen für Kunden um teilweise 30, 50 oder 80 Prozent.
Den Sendern RTL/ntv sagte Müller, seit der Drosselung der Lieferungen von russischem Gas in der vergangenen Woche sei das Preisniveau nochmal um 50 Prozent gestiegen. Mitte Juli drohe ein Wartungsfenster, dann werde die Pipeline Nord Stream 1 komplett heruntergefahren „und wir wissen nicht, was danach passiert“.
Verbraucher leiden unter hohen Gaspreisen - Zahlungsschwierigkeiten drohen
Die Verbraucher spüren so schon die Folgen der hohen Preise am Gasmarkt. Die Verbraucherzentralen berichten laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung davon, dass sie dieses Jahr mehr Arbeit haben. Zudem würde sich die Klientel verändern, sagt Antje Kahlheber von der Energiekostenberatung der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz gegenüber der Zeitung.
Zu ihnen kämen immer mehr Menschen, die bis jetzt mit ihrem Geld ausgekommen seien, aber die neuen Preise nicht mehr zahlen können. Ähnliches würden auch die Verbraucherzentralen in Nordrhein-Westfalen und Berlin berichten. „Viele Verbraucher, bei denen die Gas-Abschläge erhöht werden, könnten dann von einem auf den anderen Tag in Zahlungsschwierigkeiten geraten“, befürchtet Kahlheber der Zeitung zufolge.
Professor Christoph Strünck, der an der Universität Siegen zum Thema Energiearmut forscht, gab in der Frankfurter Allgemeinen zu bedenken, dass dies die Verschärfung eines Trends sei, der schon in den vergangenen Jahren zu beobachten war: „Wenn die Preise für wichtige Basisgüter wie Energie, Wohnen oder Mobilität deutlich steigen, werden aus der unteren Mittelschicht immer mehr Haushalte an die Armutsgrenze stoßen“, sagt er der Zeitung zufolge. (lma/dpa/AFP)