EU zieht Daumenschrauben für Erdogan an: „Kürzungen erhöht“ - außer in einem heiklen Bereich
Die EU sieht die Entwicklungen in der Türkei mit Sorge - die Union hat die Zahlungen in das Land von Präsident Recep Tayyip Erdogan weiter gekürzt. Allerdings nicht in allen Bereichen.
- Die Türkei ist EU-Beitrittskandidat - doch die Verhandlungen liegen seit langem auf Eis.
- Nach Provokationen der AKP-Regierung von Recep Tayyip Erdogan hat die EU die Vorbeitrittshilfen gekürzt.
- Unklarheit gibt es noch über die genauen Hintergründe.
Brüssel/Ankara - Die Türkei ist offiziell immer noch EU-Beitrittskandidat - doch es herrscht seit Jahren Entfremdung zwischen Brüssel und Ankara. Von den üblichen Milliardenhilfen zur Heranführung an die Union fließt kaum noch etwas, wie am Wochenende bekannt geworden ist.
So reduziert die EU in diesem Jahr weiter ihre Hilfsgelder für die Türkei. Für 2020 seien 75 Prozent der sogenannten Vorbeitrittshilfen gestrichen worden, heißt es in einer Antwort des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell auf eine Anfrage eines EU-Abgeordneten, aus der zuerst die Zeitungen der Funke Mediengruppe zitierten. Als Gründe nannte Borrell den Gasstreit im Mittelmeer und die Militäroffensive Ankaras in Syrien.
Seit 2017 seien die damals anvisierten Beitrittshilfen um 1,2 Milliarden Euro zusammengestrichen worden, schrieb Borrell an das Parlament. „Nach den unbefugten Bohrungen in territorialen Gewässern, in der Ausschließlichen Wirtschaftszone und im Kontinentalschelf Zyperns und nach der Militäroperation in Nordostsyrien hat die EU einen weiteren Einschnitt in der Fördersumme für 2020 für die Türkei beschlossen, damit reduziert sich diese um 75 Prozent gegenüber der ursprünglich anvisierten Zahlung.“ Erdogan hatte sich auch in Sachen Zypern mit Worten geäußert, die in dem EU-Mitgliedsland als Drohung aufgefasst wurden.
Türkei/Erdogan: EU kürzt Zahlungen - Flüchtlingsabkommen nicht betroffen
Die Türkei erhalte in diesem Jahr nur noch 168 Millionen Euro aus dem sogenannten IPA-Programm für die Heranführung an die EU, hieß es weiter. 150 Millionen Euro davon fließen den Angaben zufolge in den Bereich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, 18 Millionen Euro in ein Programm zur ländlichen Entwicklung. Von den Kürzungen unberührt bleiben demnach die Zahlungen im Rahmen des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei.
Borrells Sprecher Peter Stano dementierte den Bericht am Sonntag in Teilen. Ihm zufolge wurde der Beschluss zur Kürzung der Vorbeitrittshilfen für die Türkei bereits am 15. Oktober 2019 getroffen. Seitdem habe es keine neue Entscheidung der EU-Haushaltsbehörde zu einer "Neuorientierung" der Vorbeitrittshilfen gegeben. Wie die Funke-Zeitungen aus Kommissionskreisen erfahren haben, hat die EU-Haushaltsbehörde aber später entschieden, die "vorgeschlagene Kürzung" der Hilfsgelder noch zu "erhöhen".
Türkei/Erdogan: EU-Beitrittsverhandlungen liegen seit langem auf Eis
Der Borrell-Sprecher kritisierte zudem, der in Medienberichten hergestellte Zusammenhang zum Gasstreit im Mittelmeer, zur türkischen Militäroffensive in Syrien und zur Berliner Libyen-Konferenz sei "völlig falsch und irreführend". In dem Schreiben Borrells, das am Sonntag auch der Nachrichtenagentur AFP vorlag, wird aber sowohl auf die türkische Militäroffensive im Nordosten Syriens als auch auf die geplanten Gasbohrungen der Türkei vor der Küste des EU-Mitglieds Zypern verwiesen. Von der Berliner Libyen-Konferenz war in dem Funke-Bericht nicht die Rede.
Mit den Vorbeitrittshilfen will die EU eigentlich den Reformprozess der Beitrittskandidaten unterstützen und ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei liegen aber seit Jahren auf Eis, die EU wirft Ankara einen Abbau der Rechtsstaatlichkeit vor. Entsprechend umstritten sind die Zahlungen, die ursprünglich 3,5 Milliarden Euro im Zeitraum 2014 bis 2020 betragen sollten.
Kurz vor einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel belasten neue Zahlen aus der Türkei das Verhältnis der beiden Länder erneut.
AFP/dpa/fn