Söders Grenzpolizei teils verfassungswidrig: "Schwerwiegender Eingriff" - doch Herrmann will weitermachen

Brennpunkt Grenze: Seit 2018 unterstützen bayerische Polizeibeamte die Bundespolizei. Darin sehen die Grünen einen Verstoß gegen die Verfassung - und bekommen teilweise Recht.
- Als Unterstützung der Bundespolizei führte Bayern 2018 unter Markus Söder einen zusätzlichen Grenzschutz von rund 500 Beamten ein.
- Bis 2023 plant das Innenministerium den „bayerischen" Grenzschutz auf rund 1000 Beamte aufzustocken. Grundlage für die Zusammenarbeit mit der Bundespolizei ist eine Rechtsverordnung.
- Nach Ansicht der Grünen verstößt die Regelung gegen die Verfassung. Der Verfassungsgerichtshof gab ihnen teilweise Recht.
Update vom 28. August, 13.42 Uhr: Mittlerweile sind weitere Details zum Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zur Grenzpolizei bekannt. Demnach hat das Gericht die Wiedereinrichtung einer Grenzpolizei an sich zwar nicht beanstandet. Allerdings verletze das konkrete bayerische Polizeiaufgabengesetz bei der Grenzpolizei die Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Die Gesetzgebungskompetenz zum Grenzschutz liege beim Bund.
Nach dem Urteil der bayerischen Verfassungsrichter nahm die Landesregierung mit der Änderung des Polizeiaufgabengesetzes tatsächlich „einen schwerwiegenden Eingriff in die Kompetenzordnung des Grundgesetzes“ vor. Damit werde gegen das Rechtsstaatsprinzip und das Grundrecht der Handlungsfreiheit in der bayerischen Verfassung verstoßen.
Der Streit um die bayerischen Grenzschützer könnte nun weitergehen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte, auch ohne diese beanstandete Bestimmung des Polizeiaufgabengesetzes könne die bayerische Grenzpolizei ihre Aufgaben „vollumfänglich wahrnehmen“. Dagegen sagte Grünen-Landtagsfraktionschefin Katharina Schulze: „Das Gericht gibt uns recht - Grenzschutz ist Bundessache“. Das CSU-Prestigeprojekt sei „nur noch eine leere Hülle“, die von Ministerpräsident Söder angekündigten Befugnisse eines eigenständigen Grenzschutzes seien „null und nichtig“.
Bayerische Grenzpolizei: Herrmann sieht trotz Urteil Grüne gescheitert - Beamte sollen weiterarbeiten
Update vom 28. August, 12.48 Uhr: Der bayerische Verfassungsgerichtshof in München hat über die Klage der Grünen gegen die CSU: Wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) jetzt mitgeteilt hat, ist aus seiner Sicht der „Frontalangriff der Grünen" gescheitert. Für ihn, die Staatsregierung und auch die CSU-Landtagsfraktion, sei es entscheidend, dass das Gericht die grundsätzliche Einrichtung der bayerischen Grenzpolizei als verfassungsgemäß eingestuft habe. Dem Gerichtsurteil zu Folge verstoßen allein die Befugnisse des Artikels 29 im Polizeiaufgabengesetz „in Teilen gegen das Rechtsstaatsprinzip“.
Aus diesem Grund sieht Herrmann auch keine Probleme für den weiteren Einsatz der bayerischen Grenzpolizei: „Im Kern ändert das an der Arbeit der Grenzpolizei nichts. Wir können in dem vollen Umfang, wie wir das in den letzten zwei Jahren getan haben, weiterarbeiten“, sagte er heute in München. Alles bleibt also wie gehabt. Die unmittelbare Grenzkontrolle ist Aufgabe der Bundespolizei - die bayerische Grenzpolizei unterstützt diese.
„Wir werden den Aufbau von insgesamt 1000 Beamten in den nächsten drei Jahren konsequent fortsetzen. Wir sind davon überzeugt, die Grenzpolizei ist gut und wichtig und richtig“, sagte Herrmann nach der Verhandlung. Der Innenminister nutzte die Möglichkeit, um erneut die Erfolge der Grenzpolizei zu loben. Derzeit wären rund 700 Mitarbeiter im Einsatz, um in der Schleierfahndung Straftaten und Verkehrsdelikte zu ahnden. Zudem betonte der Innenminister, wie die dpa meldet, dass die Vorschriftregelungen im Artikel 29 für die Einführung der Grenzpolizei 2018 nicht extra neu geschaffen wurden, sondern schon seit Jahrzehnten so bestehen würden.
Grenzpolizei-Debakel für Söder - CSU-Prestige-Projekt verstößt teils gegen Verfassung
Update vom 28. August, 10.45 Uhr: Die vor zwei Jahren wiedereingeführte bayerische Grenzpolizei verstößt mit ihrer Arbeit teilweise gegen die Verfassung. Das hat der bayerische Verfassungsgerichtshof am Freitag bei der Urteilsverkündung in München mitgeteilt. Speziell die Befugnisse des Artikels 29 im Polizeiaufgabengesetz verstoßen demnach in Teilen gegen das Rechtsstaatsprinzip. Die generelle Wiedereinführung der Grenzpolizei beanstandeten die Richter aber nicht. Weitere Informationen folgen in Kürze.
Söders Grenzpolizei: Verstößt das Lieblingskind der CSU gegen die Verfassung? Urteil am Freitag
Vorbericht: München - Rund zwei Jahre nach Wiedereinführung der bayerischen Grenzpolizei durch Ministerpräsident Markus Söder urteilt der Verfassungsgerichtshof in München heute über eine diffizile Frage: Hat damals die alleine von der CSU getragene Staatsregierung mit ihrer Entscheidung das Rechtsstaatsprinzip verletzt - und gegen die Verfassung verstoßen? Bereits seit Einführung der bayerischen Grenzpolizei kritisieren die Grünen im Landtag die CSU, denn alleine der Bund wäre in Deutschland für den Grenzschutz zuständig. Jetzt klagen die Grünen.
Im Zuge der Diskussionen über die Zuwanderung von Flüchtlingen über die Balkanroute hatte Bayern am 1. August 2018 als einziges Bundesland die deutschen Grenzpolizisten mit bayerischen Polizeibeamten unterstützt. Dies geschah über einen umstrittenen Sonderweg.
Denn die bayerische Grenzpolizei war eigentlich bereits 1998 aufgelöst worden, da Grenzkontrollen zur damaligen DDR, sowie zu Österreich und Tschechien nach und nach weggefallen waren. Söder baute dann 20 Jahre später die Einheit als Teil der Landespolizei wieder auf - derzeit ist sie rund 500 Mann stark. Bis 2023 wollte das Innenministerium um weitere 500 Beamte aufstocken, denn eine Rechtsverordnung regelt bisher die Zusammenarbeit mit der Bundespolizei.
Die Grünen klagen gegen Söder: Grenzschutz ist allein Aufgabe der Bundespolizei
Sollte das Verfassungsgericht der Klage der Grünen heute stattgeben, droht Söder eine herbe Niederlage - ist die bayerische Grenzpolizei doch eines der Prestigeprojekte der CSU. Söder selbst rief schließlich kurz nach seiner Wahl die 1998 aufgelöste Grenzpolizei zurück ins Leben. Doch nach Auffassung der Grünen überschritt Söder bereits zu diesem Zeitpunkt seine Kompetenzen. Dem Weiterausbau einer bayern-eigener Grenzpolizei will die Partei nicht länger weiterzusehen und klagt deshalb. So wünscht sich die Grünen-Landtagsabgeordnete Katharina Schulze auf Twitter ein „Europa ohne Schlagbaum“:
In der gerichtlichen Klärung sehen die Grünen eine „verfassungsrechtliche Herzensangelegenheit“, wie es der Landtagsabgeordnete Jürgen Mistol nennt. Laut Verfassung sei der Bund für die Sicherung der deutschen Grenzen zuständig und nicht die Länder selbst - Bayerns eigene Grenzpolizei verstoße daher gegen das Rechtsstaatsprinzip. Es ist eine „Gretchenfrage“ im Dauerstreit zwischen Grünen und CSU auf Landes- sowie Bundesebene, über das das höchste Gericht Bayerns heute entscheiden muss.
Video: Bayerns eigener Grenzschutz unterstützt seit August 2018 die Bundespolizei
Die CSU-Landtagsfraktion und die bayerische Landesregierung zweifeln die Vorwürfe der Grünen vehement an: Sie seien unbegründet - sei doch die Grenzpolizei kein Verstoß gegen die Kompetenz der Bundespolizei, die nach wie vor federführend agiere. Die CSU gibt an, seit der Kooperation seien mehr als 25.000 Straftaten im Grenzbereich - beispielsweise infolge von Schleierfahndungen - geahndet werden konnten.
Laut dpa machte der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes in München, Peter Küspert, bisher keine Angaben zum Sachverhalt. Sollte er dem Vorwurf der Grünen aber zustimmen, hätte dies wohl gravierende Folgen für die CSU und Parteichef Söder. (cos/ dpa) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.