Heikle Dienstreise: Seehofer besucht Putin in Moskau

München - Sanktionen gegen Russland und Flüchtlingskrise in Europa: Die Reise von Horst Seehofer zu Kremlchef Wladimir Putin steht politisch unter keinem guten Stern. Wird das Treffen am Ende beiden nutzen?
Es ist eine heikle Reise, und sie ist noch einmal ein Stück heikler geworden. Immense Aufmerksamkeit dürfte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sicher sein, wenn er an diesem Donnerstag zu Kremlchef Wladimir Putin ins winterlich verschneite Moskau reist. Da sind nicht nur der Ukraine-Konflikt und Russlands umstrittene Rolle im Syrien-Krieg. Seehofers Besuch ist auch die erste Begegnung eines deutschen Regierungspolitikers mit Putin, seit die von russischen Medien behauptete Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen in Berlin und Moskau für Ärger sorgt.
Diplomatisches Fingerspitzengefühl gefordert
„Ich rechne damit, dass der Fall bei dem Treffen zur Sprache kommt“, sagt der Deutschland-Experte Wladislaw Below von der Akademie der Wissenschaften in Moskau. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte deutschen Behörden vorgeworfen, sie wollten die Gewalt an „unserem Mädchen“ vertuschen. Der Berliner Justiz zufolge aber hat es die Vergewaltigung nicht gegeben. Es gilt deshalb umso mehr: Von Seehofer wird in Moskau höchstes diplomatisches Fingerspitzengefühl gefordert sein - was ihm Oppositionspolitiker freilich seit Jahren absprechen.
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Klar ist: Im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt wird der Besuch sehr genau bis kritisch beobachtet - auch wenn der CSU-Chef versichert, die Reise sei „selbstverständlich“ mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) abgesprochen, und auch mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) habe er telefoniert. Seehofer gilt aber als schärfster Kritiker und Kontrahent Merkels in der Flüchtlingskrise - was Putin gefällt.
Nächster heikler Punkt: Schon vor Wochen hat Seehofer die westlichen Strafmaßnahmen gegen Russland im Ukraine-Konflikt kritisch beleuchtet: „Man muss die Frage stellen, wollen wir die Sanktionen auf unbegrenzte Zeit laufen lassen? Oder ist es an der Zeit, darüber zu reden?“, sagte er in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Seehofer hofft wieder auf eine bessere Verständigung mit Moskau. „Wir brauchen bei dieser weltpolitischen Lage einfach internationale Zusammenarbeit“, sagt er. „Die ganzen Brandherde um Europa herum sind ohne Russland nicht zu lösen.“ Ein Hintergrund der Reise ist aber auch die Klage der bayerischen Wirtschaft über die Sanktionen.
Seehofer nehme wohl die Kritik in Kauf für sein Treffen mit Putin, sagte Politologe Below der dpa in Moskau. „Er will mit dem Besuch signalisieren, dass er keine Angst vor Gegnern hat und Verantwortung übernimmt beim Wiederaufbau der Beziehungen zwischen Russland und Deutschland.“ In der Wirtschaft werde er viele Anhänger gewinnen.
Warum empfängt Putin Seehofer überhaupt?
Mancher wundert sich vermutlich, warum das Staatsoberhaupt einer Atommacht den Ministerpräsidenten eines deutschen Bundeslandes trifft. In Moskau gilt aber das Verhältnis zwischen Russland und Bayern historisch als sehr eng. So unternahm Edmund Stoiber, der Seehofer am Donnerstag begleitet, seine letzte Auslandsreise als bayerischer Ministerpräsident 2007 zu Putin. Und erst im November 2013 warb Stoiber in Moskau für ein Freihandelsabkommen und ein besseres Visa-Regime. Wenige Tage später begann aber mit Protesten in Kiew die schwerste Ost-West-Krise seit Ende des Kalten Krieges. Seehofer selbst war 2011 schon einmal in Moskau - und traf dort auch Putin, der damals aber nicht Präsident, sondern Regierungschef war.
In den Konflikten in der Ukraine und Syrien fühlt sich Russland unverstanden. Diesen Eindruck will Moskau jedenfalls vermitteln. „Wir haben den Dialog nicht unterbrochen. Wir haben die ausgestreckte Hand nicht zurückgezogen“, sagte etwa Außenminister Lawrow. Auch im Westen gilt als unbestritten, dass Russland gebraucht wird - etwa als Energielieferant und als Partner zur Lösung internationaler Krisen wie dem Atomstreit mit dem Iran. Zuletzt setzte Putin deutlich auf Entspannung, sicher auch getrieben von der Wirtschaftskrise im Land.
Kein „Business as usual“
Seehofer wird aber nicht einfach an dem Punkt anknüpfen können, an dem Stoiber 2013 in Moskau geendet hat. „Business as usual“ mit Putin dürfte sich vor dem Hintergrund der Krisen verbieten, will der bayerische Ministerpräsident nicht an Glaubwürdigkeit einbüßen. Trotzdem werden beide Politiker von dem Treffen profitieren, meint der Deutschland-Kenner Below. „Putin gefällt Seehofers kritische Haltung zu Merkels Flüchtlingspolitik und den Sanktionen gegen Russland, und Seehofer kann sich bei Putin als Lokomotive für die Lösung des Konflikts präsentieren. Es ist eine Win-Win-Situation.“
Nicht nur die Opposition, auch Koalitionspolitiker kritisieren den Besuch: „Ich hoffe, dass er die Reise unterlässt“, sagte Roderich Kiesewetter (CDU), Außenpolitik-Obmann der Unionsfraktion, der „Welt am Sonntag“. „Russland kooperiert mit rechtsradikalen Parteien - auch bei uns in Deutschland. Wenn Seehofer fährt, muss er die Russen mahnen, die hybride Informationsfälschung und die verdeckte Finanzierung von rechtsradikalen Netzwerken einzustellen.“ Seehofer sagte aber schon: Er habe sich vorgenommen, zu dem ganzen „sprechen Sie das an, sprechen Sie jenes an“ nichts öffentlich zu sagen.
dpa