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Corona: Drosten attackiert Kollegen - „Zerstört viel von dem Vertrauen der Bevölkerung ...“

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Prof. Christian Drosten zählt zu den größten Aufklärern in der Corona-Krise. In einem Interview sprach der Virologe jetzt über die Diskussionen um mögliche Lockerungen.

Berlin - Der Virologe Prof. Christian Drosten* hat sich in Zeiten der Corona-Krise zur einer der Hauptquellen für wissenschaftliche Aufklärung entwickelt. 

Drosten, der Leiter der Virologie an der Berliner Charité, informiert alle zwei Werktage in einem Podcast des NDR über den aktuellen Stand der Forschung und wissenschaftliche Hintergründe zur Corona-Pandemie. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung spricht der 48-Jährige jetzt unter anderem über die Diskussionen um mögliche Lockerungen.

Coronavirus: War die Kontaktsperre nicht nötig? Drosten hat eine klare Meinung

Christian Drosten hält sich meist mit Einschätzungen zur Politik* und Einordnung von politischen Entscheidungen zurück und beschränkt sich rein auf die Wissenschaft. Ein Verhalten, für das er bereits mehrfach kritisiert wurde. Unter anderem von der Wissenschaftsjournalisten Mai Thi Nguyen-Kim, die mit ihren YouTube-Videos zur Corona-Krise für ein breites Publikum erreicht. Drosten stimmt Nguyen-Kim einerseits zu, übt andererseits aber auch selbst Kritik. „Da spricht ein Arbeitgeberpräsident, aber die wissenschaftlichen Experten aus der Wirtschaft sind nicht sichtbar“, merkt der Virologe an. Auch in Bezug auf die wirtschaftlichen Folgen müsse die Wissenschaft mehr eingebunden werden. 

Kritisch äußert sich Christian Drosten auch zu Behauptungen, wonach eine Kontaktsperre* gar nicht nötig gewesen wäre. Diesen Behauptungen zufolge sei die Reproduktionszahl* - also die durchschnittliche Anzahl an Menschen, die ein Infizierter infiziert - bereits vor Beginn der Maßnahmen gesunken. Daraus würde dann gefolgert werden, dass die Epidemie sich selbst eingedämmt hätte. Drosten glaubt jedoch, dass die Reproduktionszahl durch die Änderung der Testzahlen* im März verfälscht ist und beruft sich darüber hinaus auf Mobilitätsdaten von Apple. „Diese zeigen deutlich, dass die Informationen und Warnungen dazu geführt haben, dass die Menschen die Maßnahmen praktisch vorweggenommen haben“, so der Virologe. Mitte März seien beispielsweise die Straßen in Berlin praktisch schon leer gewesen. 

Corona/Deutschland - Drosten: „Das spielt gewissen politischen Kräften in die Hände“

Diese Tatsachen würden jetzt als Argument missbraucht werden, dass die Kontaktsperre nicht nötig gewesen sei, merkt Drosten an: „Das spielt gewissen politischen Kräften in die Hände, die sagen, man müsse der Wirtschaft eine Chance geben.“ 

Dabei argumentiert der Virologe, dass man der Wirtschaft mit voreiligen Lockerungen eher eine Chance nimmt, da Kontaktsperren womöglich umso härter wieder eingeführt werden müssten. Drosten mache sich Sorgen, wenn Vertreter der Wirtschaft fordern, von den Lockerungen nicht mehr zurückzuweichen: „Als wäre das Verhandlungssache. Aber wenn überhaupt verhandelt man mit der Natur, nicht mit einem Virologen.“

Christian Drosten über Umgang mit Heinsberg-Studie sauer

Auch auf die umstrittene Heinsberg-Studie, die von einem Team um den Virologen Hendrik Streeck von der Universität Bonn durchgeführt wurde, angesprochen, gab Drosten seine Einschätzung ab. „Diese Geschichte ist für mich zweilagig. Das eine ist die Kommunikation, und das andere ist die Wissenschaft“, so der 48-Jährige. Die Wissenschaft könne man auf der momentanen Basis nicht kritisieren und Drosten ist nach Ansicht von Auszügen der Daten auch der Meinung, dass die Studie serös ist und gut werden könnte. 

Ein bisschen komplizierter wird es dann nach Ansicht des 48-Jährigen, wenn man die Kommunikation der Studie betrachtet. Die ersten Ergebnisse der Heinsberg-Studie wurden auf einer Pressekonferenz mit Armin Laschet kommuniziert. Dabei, so Drosten, sei auf einmal die Botschaft draußen gewesen, dass 15 Prozent der Bevölkerung bereits immun seien. Diese sei dann auch ohne Ansicht der Daten generalisiert worden. Auch gibt es Berichte, wonach Tweets und Aussagen von Hendrick Streeck von einer PR-Agentur wörtlich vorgefasst wurden.

„Da weiß ich einfach nicht mehr, was ich denken soll“, sagt Drosten zu diesem schwierigen Thema. „Das hat mir guter wissenschaftlicher Praxis nichts mehr zu tun. Und es zerstört viel von dem ursprünglichen Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft.“

Markus Söder gibt derweil einen Einblick in den Fahrplan für die Wirtschaft und den Bußgeldkatalog bei Verstößen gegen die Mundschutz-Verordnung. In welchem Ausmaß wirkt sich die Corona-Pandemie auf die Zahl der Todesopfer in Europa aus? Dieser Frage ist eine Studie zur Übersterblichkeit auf den Grund gegangen.

*merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks. 

fd

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