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Brexit-Eklat: Neue Eskalationsstufe erreicht - EU-Vertreter zweifelt an Deal mit London

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Von: Thomas Konnerth, Fabian Müller

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Der britische Premier Boris Johnson winkt beim Verlassen der Downing Street.
Weiß das Parlament hinter sich: Der britische Premier Boris Johnson will den Brexit-Vertrag brechen, um ein Chaos an der Landesgrenze zu verhindern. © BEN STANSALL/afp

Acht Monate nach dem Brexit streiten Brüssel und London offen über ihren mühsam ausgehandelten Austrittsvertrag. Stein des Anstoßes ist das britische Binnenmarktgesetz. Jetzt zieht die EU-Kommission das nächste Register.

Update vom 2. Oktober, 19.09 Uhr: Nachdem die EU schon am Donnerstag wegen einer Verletzung des EU-Austrittsvertrags rechtliche Schritte gegen Großbritannien einleitete, folgten zum Thema Brexit nun erneut negative Töne aus Brüssel. Denn auch in der vorerst letzten Verhandlungsrunde ist es nicht zu einem großen Durchbruch gekommen. Bei den wichtigsten Streitpunkten hätten die Europäische Union und Großbritannien unverändert ernsthafte Differenzen, erklärte EU-Unterhändler Michel Barnier am Freitag. Ein hoher EU-Vertreter sagte, im Kreis der 27 Staaten wachse die Skepsis, ob noch ein Deal mit London möglich sei. Ähnlich äußerten sich EU-Abgeordnete.

Barnier und sein Team hatten diese Woche erneut mit dem britischen Unterhändler Frost und dessen Mitarbeitern in Brüssel in elf verschiedenen Themenrunden verhandelt. Danach erklärte Barnier, es gebe einige Annäherungen und positive Entwicklungen bei Themen wie der Sicherheit im Luftverkehr und bei der Sicherung von Grundrechten. Bei einigen wichtigen Punkten wie Datenschutz, Klimaschutz und CO2-Preisen gebe es jedoch keinen Fortschritt. Premier Boris Johnson hat eine Frist bis 15. Oktober für eine Einigung gesetzt, die EU bis Ende Oktober.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab sich zuversichtlicher: „Solange verhandelt wird, bin ich optimistisch - aber kann auch keinen Durchbruch selbstverständlich verkünden“, sagte die CDU-Politikerin nach dem EU-Gipfel in Brüssel. „Es wird sich entscheiden in den nächsten Tagen.“

Umstrittenes Binnenmarktgesetz: EU leitet rechtliche Schritte gegen Großbritannien ein

Update vom 1. Oktober, 11.26 Uhr: Im Brexit-Streit leitet die Europäische Union rechtliche Schritte gegen Großbritannien wegen Verletzung des EU-Austrittsvertrags ein. Das kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstag in Brüssel an. Hintergrund ist das britische Binnenmarktgesetz, das am Dienstag vom Unterhaus beschlossen wurde und das Teile des bereits gültigen Austrittsvertrags aushebeln soll.

Die EU-Kommission hatte der britischen Regierung ein Ultimatum bis Mittwoch gesetzt, die umstrittenen Klauseln des Gesetzes zurückzunehmen. Da dies nicht geschah, verschickte die Brüsseler Behörde nun eine offizielle Anzeige nach London, dass sie eine Verletzung des Vertrags sieht. Von der Leyen gab der britischen Regierung einen Monat zur Stellungnahme. Es ist der erste Schritt eines Verfahrens, das letztlich vor dem Europäischen Gerichtshof enden könnte.

Das Binnenmarktgesetz - das noch vom britischen Oberhaus behandelt werden muss - wäre ein Verstoß gegen das im Vertrag festgelegte Prinzip des „guten Glaubens“ und konkret gegen das Protokoll für Nordirland, sagte von der Leyen. Trotz des nun gestarteten Verfahrens werde die EU weiter auf volle Einhaltung des Austrittsvertrags pochen und sich selbst auch daran halten. „Wir stehen zu unseren Verpflichtungen“, sagte von der Leyen.

Brexit-Eklat: Britisches Unterhaus stimmt für umstrittenes Gesetz

Update vom 29. September, 22.35 Uhr: Trotz aller Warnungen hat das britische Unterhaus für das umstrittene Binnenmarktgesetz gestimmt, mit dem Großbritannien Teile des bereits gültigen Brexit-Deals mit der EU aushebeln will. Mit 340 zu 256 Stimmen brachte Premier Boris Johnson das Gesetz mit einer klaren Mehrheit durch das Londoner Parlament. Als nächstes muss das Gesetz noch das Oberhaus passieren.

Trotz des Konflikts mit der EU starteten die Teams beider Seiten am Dienstag in Brüssel in die neunte und vorerst letzte geplante Verhandlungsrunde über einen Handelspakt. Obwohl die Zeit immer knapper wird, stocken die Gespräche noch immer. Insbesondere über die Regeln zur Fischerei und zur staatlichen Unterstützung britischer Unternehmen werden sich die Unterhändler bislang nicht einig. Zum Jahreswechsel, wenn die Brexit-Übergangsphase ausläuft, droht der harte wirtschaftliche Bruch mit Zöllen und weiteren Handelshürden.

Update vom 22. September: Das umstrittene Binnenmarktgesetz des britischen Premiers Boris Johnson hat im Londoner Parlament eine weitere Hürde genommen. Johnson will mit dem Gesetz den gültigen, mühsam ausgehandelten Brexit-Deal mit der EU in Teilen aushebeln. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte einem Kompromiss des Premiers mit seinen Kritikern zu, so dass am Dienstag in London keine formelle Abstimmung mehr über deren Antrag stattfinden musste.

Damit erklärten sich auch etliche konservative Abgeordnete mit Johnsons Plänen einverstanden, die sich zuvor dagegen ausgesprochen hatten. Der Regierungschef war zuvor einen Schritt auf die Abweichler zugekommen und hatte ihnen eine weitere Abstimmung im Parlament für den Fall zugesichert, dass die im Gesetz für einen Notfall vorgesehenen Maßnahmen tatsächlich zum Einsatz kommen sollten - im Kern das, was die Rebellen gefordert hatten. Nach einem Votum in der kommenden Woche muss das Gesetz noch das Oberhaus passieren.

Brexit-Eklat: May entsetzt über Johnson-Plan - „Kann das nicht unterstützen“

Update vom 21. September: Die britische Ex-Premierministerin Theresa May hat sich entschieden gegen das umstrittene Binnenmarktgesetz ihres Nachfolgers Boris Johnson ausgesprochen. „Ich kann dieses Gesetz nicht unterstützen“, sagte die konservative Tory-Politikerin am Montag bei einer Debatte im britischen Unterhaus. Die Regierung setze „die Integrität des Vereinigten Königreichs“ aufs Spiel, ohne die Konsequenzen für das Ansehen des Landes in der Welt im Blick zu behalten.

Hintergrund sind Pläne der britischen Regierung für ein sogenanntes Binnenmarktgesetz, das den 2019 mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag zum Teil aushebeln würde. Die EU sieht das als Rechtsbruch und fordert eine Rücknahme der umstrittenen Klauseln bis Ende September. London treibt die Verabschiedung dennoch voran, am Mittwoch sollte das Gesetz eine weitere Hürde im Unterhaus nehmen. Die entscheidende Abstimmung folgt dann in der kommenden Woche, bevor das Gesetz das Oberhaus passieren soll.

Zuvor hatten sich etliche Abgeordnete aus Johnsons Partei gegen dessen Pläne ausgesprochen. Allerdings schaffte es der Premier, mit einigen Abweichlern einen Kompromiss zu schmieden. Er sicherte ihnen eine weitere Abstimmung im Parlament für den Fall zu, dass die Maßnahmen des Gesetzes tatsächlich greifen sollten.

Brexit-Schreck: Johnsons Regierung rechnet intern mit Chaos - zwei Tage Wartezeit an der Grenze?

London/Dover - Bereits im Juli 2016 stimmte Großbritannien für einen Brexit, ab Januar 2021 wird dieser jetzt Wirklichkeit. Zum Jahreswechsel endet die Übergangsphase des Brexits und die britischen Behörden erwarten bereits ein erhebliches Chaos an den Grenzen. Das offenbarte jüngst ein internes Papier einer Behörde, welches der britische „Guardian“ am Dienstag veröffentlichte. Man rechne aufgrund des Brexits bereits im Januar 2021 mit Schlangen von bis zu 6500 Lastwagen an der Grenze. Besonders stark betroffen sei die Grenzregion Kent, wie aus dem vertraulichen Regierungsdokument hervorgeht.

Brexit-Schock für Kent: Regierung von Boris Johnson befürchtet zwei Tage Wartezeit an der Grenze

Bereits im Februar könnte sich die Situation an der Grenze noch einmal verschärft haben. Wegen des Brexits könnte es für Lastwagen im "Worst-Case-Szenario" bis zu zwei Tage dauern, bis sie an die Grenze vordringen. Dieses Szenario könnte unabhängig von den derzeitigen Verhandlungen stattfinden, da die Verzögerungen und Staus laut dem Dokument selbst dann entstehen können, wenn Großbritannien es noch schafft, sich mit der EU auf einen Handelspakt zu einigen.

Um das bevorstehende Chaos durch den Brexit zu minimieren, könnten Service-Stationen an den Autobahnen außerhalb Großbritanniens Abhilfe schaffen. Wie die Experten vorschlagen, könne hier den Lkw-Fahrern geholfen werden, rechtzeitig alle notwendigen Dokumente für die Kontrollen an der Grenze parat zu haben. Als Ziel für die Zeit nach dem Brexit soll ein Software-basiertes System etabliert werden, welches einen flüssigen Warenverkehr gewährleistet. Für dieses Szenario steht allerdings wohl noch viel Arbeit an: Aus dem Regierungsdokument geht hervor, dass 26 Behörden sowie 100 IT-Systeme beteiligt seien. Ab Ende November soll zudem ein Online-Ampelsystem an der britschen Grenze gestest werden.

Brexit-Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU: Mögliche Grenzkontrollen notwendig?

Die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU stocken momentan. Gibt es keine Einigung, könnte es Ende des Jahres für Boris Johnson zu einem harten Brexit kommen, der Zölle sowie Handelshemmnisse nach sich ziehen könnte. Allerdings wären selbst bei einer Einigung Grenzkontrollen vonnöten. Ab 2021 wäre Großbritannien nicht mehr Teil des europäischen Binnenmarktes, was Kontrollen in jedem Fall notwendig machen wird. (tko) *merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks

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