Forderung nach Tempo 30 – kommen bald massive Änderungen für Autofahrer?
Mehr als 80 Städte und Gemeinden in Deutschland machen sich für Tempo 30 stark. Doch was spricht dafür?
Berlin – Mit Tempo 50 durch die Stadt zu düsen, könnte für viele Autofahrerinnen und Autofahrer bald der Vergangenheit angehören. Denn über 80 Städte und Gemeinden wollen jetzt eine Geschwindigkeitsbegrenzung einführen.
Kommen also bald massive Einschränkungen auf Menschen mit Auto zu? Durchgehend Tempo 30 könnte enorme Auswirkungen haben. Doch wer ist bei diesem Vorstoß mit dabei und wo gilt es bereits flächendeckend?

Innerorts Tempo 30: Wo die Geschwindigkeitsbegrenzung für Autos schon gilt
In Paris gilt die Regelung bereits seit Ende September 2021. Im gesamten Stadtgebiet wurde Tempo 30 eingeführt. Kontrolliert und beachtet wird die neue Regel oftmals wenig und es kommt zu Staus im Autoverkehr, doch die Maßnahme gilt als Symbol für eine Verkehrswende, die Bürgermeisterin Anne Hidalgo seit Jahren vorantreibt.
Am Pariser Beispiel hat sich unter anderem eine Gemeinde aus Bayern orientiert. In Pettstadt im Kreis Bamberg wurde im Oktober 2021 Tempo 30 eingeführt. Außerdem wurde die Gemeinde „schilderlos“, wie es auf der offiziellen Webseite heißt. Vorfahrtsregelnde Schildern, nahezu alle Parkverbots- und Halteverbotszeichen wurden abgebaut und verschrottet. Stattdessen weisen nun nur noch Schilder an der Ortseinfahrt auf die neuen Verkehrsregeln hin. Die europäische Bürgerinitiative „30kmh – macht die Straßen lebenswert“ setzt sich ebenfalls für eine Geschwindigkeitsbegrenzung ein. Sie hat zusammengefasst, in welchen Städten und Gemeinden Deutschlands bereits derartige Regeln gelten (Stand 2018):
Stadt oder Gemeinde | Ausmaß der Regelung |
---|---|
Bad Dürrheim (Baden-Württemberg) | Flächendeckend Tempo 30 |
Bad Wörishofen (Bayern) | Plant Einführung und führt Rechtsstreit |
Berlin | Verbreitet Tempo 30 in der Nacht |
Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) | Tempo 30 in einigen Wohngebieten |
Bodenmais (Bayern) | Tempo 30 in Wohngebieten und auf Hauptstraßen |
Bremen | Tempo 30 in Teilen der Stadt |
Bremerhaven (Bremen) | Mehrere große Zonen mit Tempo 30 |
Buxtehude (Niedersachsen) | Weiträumige Tempo-30-Zone |
Denzlingen (Baden-Württemberg) | Tempo 30 außer auf Hauptstraße |
Dresden (Sachsen) | Tempo 30 an Hauptstraßen (Modellversuch) und Zonen in Wohngebieten |
Freiburg (Baden-Württemberg) | Tempo 30 in Wohngebieten |
Göttingen (Niedersachsen) | Tempo 30 in der Innenstadt und auf acht Hauptstraßen |
Hamburg | Viele Zonen mit Tempo 30 |
Hannover (Niedersachsen) | Tempo 30 in der gesamten Innenstadt |
Heidelberg (Baden-Württemberg) | Tempo 30 in Wohngebieten |
Herzogenrath (Nordrhein-Westfalen) | In Wohngebieten gilt Tempo 30 |
Hilden (Nordrhein-Westfalen) | Tempo 30 in Wohngebieten |
Karlsruhe (Baden-Württemberg) | Tempo-30-Zonen in einem Drittel der Innenstadt |
Köln (Nordrhein-Westfalen) | Mehr als die Hälfte des Gebietes mit Tempo-30-Zonen |
Leipzig (Sachsen) * | Weite Teile der Stadt mit Tempo 30 |
Magdeburg (Sachsen-Anhalt) | Einführung von zahlreichen Zonen mit Tempo 30 |
Marburg (Hessen) | Flächendeckende Einführung von Tempo 30 (begonnen 2012) |
Memmingen (Bayern) | Viele Tempo-30-Zonen |
Meschede (Nordrhein-Westfalen) | In der gesamten Innenstadt gilt Tempo 30 |
München (Bayern) | Viele Tempo-30-Zonen |
Münster (Nordrhein-Westfalen) | Tempo 30 in allen Wohngebieten |
Neuenburg (Baden-Württemberg) | Tempo 30 auf allen innerörtlichen Nebenstraßen |
Pettstadt (Bayern) * | Tempo 30 |
Plankstadt (Baden-Württemberg) | Tempo 30 auf der Ortsdurchfahrt |
Solingen (Nordrhein-Westfalen) | Tempo 30 in einigen Wohngebieten |
Stuttgart (Baden-Württemberg) | Tempo 30 auf etwa vielen Nebenstraßen und einer Hauptstraße |
Ulm (Baden-Württemberg) | In mehreren Stadtteilen Tempo 30; |
Wernigerode (Sachsen-Anhalt) | Tempo 30 auf Wohnstraßen, Tempo 30 auf Hauptstraßen in der Einführung |
Winterberg (Nordrhein-Westfalen) | In einigen Bereichen gilt Tempo 30 |
Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) | Tempo 30 in weiten Teilen der Stadt |
Wülfrath (Nordrhein-Westfalen) | Tempo 30 in der Innenstadt |
Quelle: 30kmh.eu / *von der Redaktion hinzugefügt |
Tempo 30 auf den Straßen: Regeln für Autofahrende durchzusetzen, ist bisher nicht einfach
Städte und Gemeinden haben klare Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen ein Tempolimit eingeführt werden kann. Während sie in Wohngebieten weitgehend freie Hand haben, regelt die Straßenverkehrsordnung (StVO) genau, wann auf überörtlichen Verkehrsstraßen ein Tempolimit eingeführt werden darf – und wann nicht.
Bei Ortsdurchfahrten muss beispielsweise eine besondere Gefahrenlage vorliegen. Seit 2016 wurde den Gemeinden die Durchsetzung von streckenbezogenen Zonen erleichtert. Tempo-30 kann dann erleichtert eingeführt werden, wenn sich Kitas, Schulen,* Kliniken oder Pflegeheime in der Straße befinden.
Tempo 30 in Städten und Gemeinden: Was spricht dafür?
Ende letzten Jahres veröffentlichte das Umweltbundesamt eine Untersuchung, inwieweit Geschwindigkeitsbeschränkungen das Klima in Städten und Gemeinden verbessern können. Eines der Ergebnisse war: „Tempo 30 verbessert überwiegend Umweltqualität, Sicherheit sowie Verkehrsfluss und Anwohnende nehmen die Entlastung wahr.“
Beispielsweise wurde geprüft, wie viel Zeit Autofahrerinnen und Autofahrer verlieren, wenn sie innerstädtisch auf Hauptverkehrsstraßen nur noch 30 statt 50 Kilometer die Stunde fahren dürfen. Das Ergebnis: „In der Praxis wurden bei Messfahrten Reisezeitverluste an Tempo-30-Strecken von 0 bis 4 Sekunden je 100 Meter festgestellt. Dies ist auch bei längeren Abschnitten oder einer Aneinanderreihung von mehreren Regelungen volkswirtschaftlich kaum relevant“, so das Umweltbundesamt.
Über 80 Städte und Gemeinden wollen verstärkt Tempo 30 durchsetzen
Im Jahr 2021 hat sich nun eine kommunale Initiative gegründet, die sich für Tempo 30 und „stadtverträglicheren Verkehr“ einsetzen. Unter Beteiligung des Deutschen Städtetags wolle man sich dafür einsetzen, dass Kommunen die Geschwindigkeit selbst festlegen können und Tempo 30 dort anordnen können, wo sie es für nötig halten.
Zu den Initiativstädten zählen Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm. Darüber hinaus unterstützen noch 77 weitere Städte und Gemeinden dieses Vorhaben (Stand: 31.01.2022). Auch die Stadt Kassel bekundete bereits Interesse an dem Tempo-30-Vorstoß.* Zu den offiziellen Unterstützern zählt sie bisher jedoch noch nicht, dafür jedoch beispielsweise folgende Städte:
- Bochum
- Bonn
- Braunschweig
- Darmstadt
- Düsseldorf
- Frankfurt am Main
- Göttingen
- Halle
- Köln
- Mannheim
- Tübingen
- Würzburg
Mit diesem Vorgehen könne man nicht nur das Klima schützen und für mehr Sicherheit und Lebensqualität sorgen, findet die Initiative. Mit einheitlichen Tempo-30-Regelungen werde auch das Wirrwarr aus den unterschiedlichen Verkehrsregeln einfacher für Autofahrerinnen und Autofahrer. Denn durch den neuen Bußgeldkatalog müssen Autofahrende seit 2021 einige Regeln* besonders genau beachten, denn die Strafen wurden teils massiv erhöht. (Sophia Lother) *hna.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.