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So wird es richtig gemacht

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Undine Taube, Lehrerin an der Bad Gandersheimer Oberschule,  mit ihrem Schulhund Ilion
Undine Taube, Lehrerin an der Bad Gandersheimer Oberschule, mit ihrem Schulhund Ilion. © KK

Einbeck / Region - Der Trend zum „tierischen Lernbegleiter“ hat in den vergangenen Jahren Fahrt aufgenommen. Wenn Schule mit Hund gut gemacht ist, dann ist sie ein sicherer und trotzdem attraktiver Lernort für die Kinder. Ein Bericht von Undine Taube.

Entspannter Hund im Unterricht
Ilion im Unterricht: Die anfängliche Aufregung der Kinder legt sich, wenn der Umgang mit dem Hund Routine geworden ist. © KK

Na, Lisa, wie gefällt es dir an der neuen Schule?“ – „Prima, Frau Müller. Die haben da einen Schulhund, der ist ganz lieb!“ – „Ein Schulhund? Darf denn ein Hund mit in die Schule?“ – „Klar, unsere Lehrerin hat mit Mila doch eine Ausbildung gemacht.“ – „Eine Ausbildung für Schulhunde? Sowas gibt’s?“
 Ja, so etwas gibt es – inzwischen bieten sogar immer mehr Hundeschulen eine Ausbildung für Schul- und Besuchshunde an. Der Trend zum „tierischen Lernbegleiter“ hat in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen. Der positive Effekt, den ein Hund auf die Lernatmosphäre, die Selbstdisziplin der Kinder und den Umgang mit einem Lebewesen in einer Klasse hat, ist inzwischen durch viele Untersuchungen bestätigt worden.   

Kind mit Pfote gebendem Hund
Motivator: Schwierige Aufgaben werden lieber angegangen, wenn man danach dem Hund eine Aufgabe stellen darf. © KK

Mir allerdings genügt es schon zu sehen, wie die Kinder strahlen, wenn sie mich mit dem Hund in die Schule kommen sehen. Ihre Begeisterung und Freude, wenn sie Ilion einfach nur streicheln dürfen, entschädigt für so manche mühevolle und anstrengende Arbeitsstunde und bestätigt mich immer wieder in de Entscheidung, einen Schulhund ausgebildet zu haben.
Ich bin Lehrerin an der Oberschule Bad Gandersheim und setze einen meiner beiden Hunde in der Schule ein. Es fing ganz harmlos vor ungefähr 20 Jahren an. Mein damaliger Hund durfte nachmittags mit zur Dienstbesprechung kommen und hat bei den trockenen Sitzungen oft für Erheiterung gesorgt. Später hatten wir eine junge Kollegin, die ihren Hund gezielt für die Schule erzog. Eine spezielle Schulhundeausbildung oder gar Eignungsprüfung gab es damals zwar noch nicht. Aber es gab schon die ISAAT/ESAAT, den Dachverband aller tiergestützt arbeitenden Vereinigungen. Dieser legte Qualitätsstandards für tiergestützte Arbeit in therapeutischen Einrichtungen fest. Dazu gehören regelmäßige Fortbildungen, Hygienevorschriften, Gesundheitschecks, ein Einsatzkonzept usw. Durch die Kollegin erfuhr ich vom „Schulhundweb“, das die Anforderungen der ISAAT/ESAAT übernommen hatte, und ließ mich zusammen mit einer anderen Kollegin für das Thema Schulhund begeistern.

Es gehört viel Wissen und Übung dazu, die Signale des Hundes richtig zu deuten. Wie sich mein Hund fühlte, habe ich früher nicht erkannt“

Undine Taube, Autorin dieses Berichts

Leider war mein nächster Hund nicht so souverän wie der erste. Er eignete sich nicht für den Einsatz unter vielen Menschen –
eine Abwägung, die viele gutmeinende Hundemenschen aus Unkenntnis gar nicht treffen. Deshalb suchte ich gezielt nach einem geeigneten Hund. Er sollte gelassen, souverän, ausgeglichen und belastbar sein. Ich fand ihn im Pudel-Retriever-Mischling Ilion, den ich als gut acht Wochen alten Welpen zu mir nahm. Nach der Grunderziehung durfte er schon mal Schulluft schnuppern, und wir machten bald danach eine halbjährige Schulhundeausbildung.  Inzwischen hatte ich mich auch dem „Arbeitskreis Niedersachsen Süd-Ost“ im Schulhundweb angeschlossen. Damit ist eine Selbstverpflichtung zur Einhaltung der Qualitätsstandards verbunden. Da unsere Schulleiterin Petra Dröge dem Thema Schulhund gegenüber von Anfang an sehr aufgeschlossen war, war es konsequent, auch der Verpflichtung zur Fortbildung nachzukommen.

Kind umarmt Hund
Stressige, übergriffige Situationen für den Vierbeiner: Das sind zum Beispiel Umarmungen oder wenn jemand über ihn steigt. © KK

Dafür suchte ich also eine Trainingsmöglichkeit hier in der Nähe und fand sie im Hundezentrum Hallensen. Die Hundeschule ist ein von IHK/BHV zertifizierter Ausbildungsbetrieb für Schul-, Besuchs- und Therapiehunde – eine Liste der zertifizierten Ausbildungsbetriebe findet man unter Praxisbetriebe für den IHK-Schulhundlehrgang (hundeschulen.de). 
Nach dem ersten Besuch der Trainerin im Unterricht habe ich mich erschrocken. Sie lenkte meinen Blick auf Situationen, die ich vorher nicht wahrnahm und falsch einschätzte. Ein Schüler z.B. hatte meinen Hund bedrängt und ihn in eine stressige Situation gebracht. Mein Hund beschwichtigte daraufhin den Schüler.

Erschreckter Hund
Plötzliche Geräusche, etwa durch herabfallende Gegenstände, sind Stress für den Hund. Die Fotos sind mit dem erfahrenen, souveränen Schulhund Ilion nachgestellt worden. Er wird seit Jahren als Schulhund eingesetzt. Beaufsichtigt wurden die Aufnahmen von der zertifizierten Verhaltensberaterin Karina Kochan aus Hallensen (Einbeck). © KK

Aber ich sah den Stress meines Hundes gar nicht. Erst recht hatte ich ihn nicht für sein defensives Wohlverhalten belohnt. So etwas hatte ich in der früheren Ausbildung nicht gelernt. Da stand im Vordergrund, wie der Hund im Unterricht eingesetzt werden konnte und was er dafür können musste. Wie es dem Hund dabei ging, war nachrangig behandelt worden.
Ich wusste und sah deshalb auch nicht, wie anstrengend diese Arbeit für den Hund tatsächlich ist. Ich durchschaute nicht, welche Distanzlosigkeiten der Kinder er manchmal wegstecken musste, was ihm Angst machte und wie zuverlässig er solche Bedrohungen aushielt.
In vielen Fortbildungsveranstaltungen und Kursen des Arbeitskreises und vor allem im Hundezentrum Hallensen habe ich dann gelernt, wie ich meinen Hund sinnvoll, verantwortungsbewusst und vor allem vorbildlich einsetzen kann. Vorbildlich vor allem, weil man auch ohne Strafen, Anschnauzen und ähnliche Maßnahmen einen Hund zu diszipliniertem Wohlverhalten erziehen kann. Wie sonst sollte ich rechtfertigen, dass die Kinder freundlich mit dem Hund arbeiten, ich aber mit harten Kommandos Gehorsam von ihm einfordere? Es soll ihm bei seiner Arbeit gut gehen, damit er sie lange und mit Freude tun kann.

Wie diese Arbeit aussieht?
 Einige Beispiele aus dem Unterricht

• in einem Körbchen Arbeitsblätter austeilen oder einsammeln – jedes Kind ruft den Hund zu sich, das heißt für die anderen Kinder, leise sein und abwarten üben; 
• bei Konzentrationsschwäche zum Durchhalten motivieren, weil anschließend ein Trick mit dem Hund gemacht werden darf;
• in Situationen, die nervös machen oder angstbesetzt sind (z.B. Klassenarbeiten), zum Streicheln da sein – streicheln beruhigt, das ist wissenschaftlich bewiesen;
• als unparteiischer Zufallsgenerator: Der Hund wählt aus drei mit unterschiedlichen Aufgaben beschriebenen Zetteln einen aus – diese Aufgabe, auch wenn sie schwer ist, wird viel besser akzeptiert, als wenn der Lehrer sie stellt;
• Lautstärkeregler: Jede(r) weiß, dass Hunde sehr viel besser hören als Menschen, die Kinder bemühen sich deshalb allein aus Mitgefühl mit ihrem Schulhund darum, im Unterricht leise zu sein, was wiederum die eigentliche Lernatmosphäre deutlich verbessert.
 Ich weiß jetzt besser, wie ich meinen Hund in unangenehmen Situationen schützen kann. Dazu beigetragen hat vor allem das anspruchsvolle Niveau im Hundezentrum. Es hebt sich deutlich von dem anderer Hundeschulen ab, die ich kenne. In den Kursen werden auch viele theoretische Inhalte vermittelt. Ich musste einiges vom früher Gelernten über Bord werfen und durch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse ersetzen. Allerdings: Wissen ist das eine und die Anwendung das andere.


 Es war zuerst sehr schwer für mich, die kleinen körpersprachlichen Signale wahrzunehmen, mit denen Ilion mir Anstrengung, Stress oder auch das Sich-bedroht-fühlen anzeigte.
Viel Übung und immer wieder Korrekturen durch die Trainerin sind nötig, um das umfangreiche, tiefgründige Wissen, das ich erwerben konnte, umzusetzen und anzuwenden. Das ist anstrengend und herausfordernd, aber auch lohnend. Und die fortlaufende Weiterbildung auf dem hohen Niveau von ISAAT/ESAAT und IHK/BHV ist außerordentlich wichtig.

 Meiner Meinung nach darf es unter keinen Umständen zu Situationen kommen, in denen der Hund sich nicht mehr anders als durch Schnappen oder gar Beißen zu helfen weiß. Wenn Schule mit Hund gut gemacht ist, dann ist sie ein sicherer und trotzdem attraktiver Lernort für die Kinder. Damit es immer heißt: „Heute war es wieder schön – unser Schulhund war da!“

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