„Neue Nachbarn“ sind umgezogen

EINBECK Die Beratungsstelle „Neue Nachbarn“ ist seit kurzem in einem früheren Blumengeschäft – Am Steinwege 7 – in Einbeck zu finden. Nach langer Suche war es der Diakoniestiftung als Förderin des Projekts „Neue Nachbarn“ gelungen, geeignete Räumlichkeiten für die Beratungsstelle zu finden, die nach wie vor gut angenommen wird. Zwei Jahre war sie im Museumscafé untergebracht, seit Juli befindet sie sich am neuen Standort. Beim Tag der offenen Beratungsstelle verschafften sich Vertreter anderer Beratungsstellen, der Fraktionen, des Landkreises und der Kirchengemeinden einen eigenen Eindruck von dem Ort, der schon optisch für Zuversicht und bunte Vielfalt steht.
Als im Sommer 2014 überregional über beginnende Flüchtlingsströme berichtet wurde, dachte kaum jemand daran, dass so viele Flüchtlinge Deutschland, geschweige denn die eigene Region erreichen würden. Doch im Herbst waren sie plötzlich in den Dörfern. Und: Es waren Menschen. Menschen mit Schicksalen. Menschen, die schnell Hilfe benötigten.
Die Diakoniestiftung koordinierte die Angebote der vielen ehrenamtlichen Helfer, unter anderem wurden Patenschaften, Radfahrkurse und Sprachkurse organisiert, ein Spendenlager entstand.
Mittlerweile sind viele der „Neuen Nachbarn“ weitgehend integriert. Doch „wir sind noch lange nicht am Ziel, wir werden noch zwei, drei Jahre gebraucht...“, betonte Michael Büchting, der Kuratoriumsvorsitzende der Diakoniestiftung „Nächstenliebe in Einbeck“.
Denn was die nachhaltige Integration der Flüchtlinge anbelangt, die im Raum Einbeck dezentral untergebracht wurden, um deren Eingliederung in neue Nachbarschaften zu erleichtern, „sind noch dicke Bretter zu bohren“, erklärte Kuratoriumsmitglied Marco Spindler. Und: „Da müssen wir dranbleiben.“ Gleichzeitig sprach sich Spindler für die Sicherung von Beratungsstellen aus.
Nach wie vor benötigten Geflüchtete Unterstützung, gerade was die berufliche Integration anbelangt. Ziel sei schließlich, sie nicht nur so schnell wie möglich in die Gemeinwesensstruktur einzubinden, sondern auch ein hohes Integrationsniveau zu erreichen: Unsere neuen Nachbarn sollen ein selbstbestimmtes, ein eigenverantwortliches Leben führen können, „ohne auf Sozialleistungstranfers angewiesen zu sein“. Und obendrein eine „gute Balance zwischen der eigenen und der neuen Kultur“ finden. Insofern sei die Begleitung nach der anfänglichen Erstorientierung und Erstaufnahmebegleitung nun weit anspruchsvoller geworden; gleichzeitig sei die Zahl der Ehrenamtlichen naturgemäß zurück gegangen. Ein Grund dafür ist, dass viele Geflüchtete weiter gezogen sind, ein anderer, dass sich viele Ehrenamtliche nicht dauerhaft an eine Projekt binden wollen.
Zurzeit leben 500 Geflüchtete im Raum Einbeck, allein 250 werden regelmäßig betreut.
Die jetzige, mit viel Eigenleistung renovierte Beratungsstelle bietet einen geschützten Rahmen für Einzelfall-Beratungen, auch dient sie als Treffpunkt. „Wir haben hier immer volles Haus“, sagt Roland Heimann, dessen Fulltime-Job seitens der Stadt Einbeck finanziert wird. „Wir brauchen Begegnung, damit sich niemand in sein eigenes Milieu zurückziehen kann.“ Wo wenig Begegnung stattfinde, gebe es die meisten Vorbehalte, weiß auch Einbecks Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek.
Ein Wunsch bleibt: Die Skeptiker zu erreichen und auch mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Denn, so Roland Heimann: „Augenblicklich gibt es zwei Fronten, unter denen es gilt, Verständnis füreinander zu wecken, um zu einem Miteinander zu gelangen.“ Das bleibe eine spannende Aufgabe, gibt ihm Marco Spindler recht: „Es ist wäre wünschenswert, Probleme offen anzusprechen, um eine realistische Sicht zu entwickeln.“
Seit Mitte November finden in der Beratungsstelle Beratungen in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer statt, um Geflüchtete speziell in Ausbildung zu bringen. Außerdem findet weiterhin eine Begleitung von Ehrenamtlichen statt: Am 23. November gibt es im Gemeindehaus in der Lessingstraße erneut eine Fortbildung.
Als pädagogische Mitarbeiterin ist Mayssam Freitag seit Mai neu in der Beratungsstelle „Neue Nachbarn“ tätig. Die 35-Jährige mit Migrationshintergrund, die seit 2010 wieder in Deutschland lebt, hat gemeinsam mit Lene Garum-Jochumsen im EinKiFaBü im Hallenplan 9 die Frauen- und Krabbelgruppe „Brücken bauen“ ins Leben gerufen: „Es ist wichtig, dass Flüchtlingsfrauen integriert werden, dazu braucht es aber Betreuungsangebote“, betont Mayssam Freitag. Die Gruppe trifft sich jeweils donnerstags von 10 bis 12 Uhr im EinKiFABü.
Die neue Beratungsstelle „Neue Nachbarn – Vermittlung und Begleitung“ ist montags, dienstags und mittwochs ab 13 Uhr geöffnet, dienstags und donnerstags auch von 8 bis 12 Uhr. Telefonisch ist sie unter 05561/6058640 zu erreichen. con