13 Jahre Haft für Mord an dreifacher Mutter

Einbeck / Göttingen – 13 Jahre Gefängnis für Cemal A.: Das Landgericht Göttingen hat den 51-jährigen Einbecker Familienvater jetzt wegen Mordes an seiner zweiten Ehefrau Besma A. († 27) im alkoholbedingten Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit und wegen waffenrechtlicher Verstöße zu einer Gesamtstrafe von 13 Jahren verurteilt. „Sie haben drei kleinen Kindern die Mutter genommen, einer Mutter ihr Kind – und den Kindern ihren Vater“, sagte der Vorsitzende Richter. Nach überlanger Verfahrensdauer blieb das Landgericht unter den Strafanträgen von Staatsanwaltschaft, die lebenslängliche Haft beantragt hatte, und Nebenklägerinnen, die obendrein die Feststellung der besondere Schwere der Schuld gefordert hatten. Die Verteidigung plädierte zuletzt auf zwei Jahre Haft mit Bewährung für ein fahrlässiges Unfallgeschehen mit illegal beschaffter Pistole.
Die Tötung der dreifachen Mutter sei kein Unfall gewesen, aber auch kein länger geplanter „von A bis Z durchchoreografierter Mord“, hieß es in der Urteilsbegründung. Die 6. Große Strafkammer sah als erwiesen, dass der 1973 in der Türkei geborene Angeklagte seine zweite Ehefrau am 14. April 2020 kurz vor Mitternacht vorsätzlich mit einem gezielten Kopfschuss aus seiner Pistole getötet hat, als die dreifache Mutter schlafend und mithin arg- und wehrlos auf dem Wohnzimmersofa im Einfamilienhaus in der Einbecker Oststadt gesessen hatte. Die Tatwaffe, eine halbautomatische FN-Pistole Kaliber 7,65 Millimeter, habe Cemal A. wohl 2002 zur Eigensicherung unter der Hand erworben, nachdem ein Heckenschütze in Einbeck auf ihn und seine Begleiter geschossen hatte. Hintergrund soll ein „Blutrache“-Geschehen sein.
Unterdessen verschlechterte sich aber die erste Ehe und wurde nach Vorfällen häuslicher Gewalt 2009 geschieden. Bald danach sei Cemal A. in den Nord-Irak gereist, heiratete dort im Dezember 2010 die 18-jährige Besma und holte sie nach Einbeck. „Es war keine Liebeshochzeit im eigentlichen Sinn“, sagte der Vorsitzende Richter Tobias Jakubetz, die junge Frau habe vor allem den unsicheren Irak verlassen wollen. Das Paar habe dann auch mit den Kindern aus erster Ehe unauffällig in Einbeck gelebt. 2012, 2013 und 2017 wurden die drei gemeinsamen Kinder geboren. Einen Sprachkurs „Mama lernt Deutsch“ habe sie abgebrochen, vorwiegend als Hausfrau den Haushalt besorgt. Das Zusammenleben sei zunehmend schwieriger und „am Ende extrem konfliktbehaftet“ gewesen. „Es wurde über alles gestritten“, sagte der Vorsitzende Richter.
Durch die beginnende Corona-Pandemie hätte sich die familiäre Problematik Anfang 2020 weiter zugespitzt. Es sei ihm klar geworden, dass bei den Eheproblemen nicht mit einer schnellen Lösung zu rechnen war. Wegen Kurzarbeit sei Cemal A. auch häufiger zuhause gewesen und habe weniger Geld bekommen. Da sei es nur schlüssig gewesen zu überlegen, die illegale Pistole unter der Hand zu verkaufen, für rund 1.000 Euro. Am 14. April 2020 sei das Geschehen eskaliert, nachdem Cemal A. die verbotene Waffe am Abend im Wohnzimmer herausgeholt und damit hantiert hatte – in Gegenwart des späteren Opfers Besma, die sich sicher vor möglichen Übergriffen ihres Ehemannes gewähnt hatte, weil auch ihr kleiner Sohn anwesend war. Der Vater habe den jüngsten Sohn besonders behütet behandelt. Mithin sei der schlafende Junge Garant dafür gewesen, dass ihr nichts passieren sollte. Eine Viertelstunde vor Mitternacht sei die 27-jährige mit Kopfhörern im Ohr eingedöst und mit geschlossenen Augen eingeschlafen.
Mit der scharfen Waffe auf dem Tisch und Alkohol im Blut sei ihm die völlig verfahrene Ehesituation besonders gegenwärtig geworden, und er habe die Ehefrau schlafen sehen. Womöglich nach weiterem „Mut-Antrinken“ habe er die Situation spontan ausgenutzt. Er habe sich hingestellt und den Schuss auf seine schlafende Ehefrau aus höchstens 1,50 Metern Entfernung abgefeuert, um sie zu töten. Danach habe er noch mehr Alkohol getrunken und vor Mitternacht zweimal selbst den Notruf gewählt. Dass sich der tödliche Schuss gelöst hat, als er das Schießeisen für den Weiterverkauf habe putzen wollen, blieb für das Gericht eine „recht abenteuerliche Hypothese“. Dazu hätten drei seperate Sicherungssysteme der Pistole überwunden werden müssen. Zudem wäre eine fahrlässig abgefeuerte Kugel in einem Raum mit vier Wänden sonstwo eingeschlagen. Doch das Projektil drang von schräg oben in die rechte Wange des Opfers ein und durchtrennte schräg nach unten Schlagader und Wirbelsäule. Die junge Mutter war augenblicklich tot. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. cmf