TV-Kritik: Komplexe Beziehungen

Eine junge Frau liegt tot im Hof. Ihr Verlobter ist verzweifelt, hat er doch alle Hoffnung in sie gesetzt. Seit Jahren zerfetzt er sich im Unterhaltskrieg mit seiner Ex-Frau, zudem rebelliert die gemeinsame Tochter.
Und dann war das Opfer auch noch von wem anders schwanger... Der Plot wirkt wie eine abgenudelte Zirkusnummer mit der immergleichen Konstellation. Und doch: Im Kölner „Tatort“ (ARD) gelingt Autor Jürgen Werner und Regisseur Christoph Schnee das Kunststück, mit der abgegriffenen Thematik Liebe/Scheidung/Eifersucht leicht und stilsicher auf dem Hochseil zu jonglieren – und ein packendes Schauspiel zu bieten.
Erstens, weil sie die menschlichen Beziehungen so komplex darstellen, wie sie in echt nun mal sind: Die Ex-Eheleute wollen nicht streiten, können aber nicht anders; der Verlobte instrumentalisiert das ungeborene Kind, um sich „finanziellen Freiraum“ zu verschaffen; der Teenager rät seiner Mutter, sich vom Vater zu trennen, der sie betrügt.
Zweitens basiert der Film auf gut recherchierter Aktualität – das neue Scheidungsrecht und die Angst einer Alleinerziehenden, in Hartz IV abzurutschen. Drittens sind da die herzerfrischenden Kommissare: Max Ballauf (Klaus J. Behrendt), der Junggeselle, der mehr Ahnung von Kaffee als von Pränataldiagnostik hat; und Freddy Schenk (Dietmar Bär), der in seiner Sorge um die Tochter das Film-Thema hilflos zusammenfasst: „Liebe wird so beliebig!“
Gute Schnitte – vom Scheidungskrach zur Currywurst –, starke Szenen wie die Verfolgungsjagd auf dem Güterzug, nur zaghafte Botschaft (Kinder als Leidtragende), klare Handlungslinie trotz Beziehungsdickicht: eine artistische Meisterleistung.
Christine Ulrich