Behinderte spielen "Dschungelcamp"

London - Im britischen Fernsehen ist am Dienstagabend eine skurrile Serie angelaufen, in der sechs körperlich Behinderte drei Monate auf einer einsamen Insel ausgesetzt werden.
Dan wird wie ein nasser Sack an den Strand geworfen. Er hievt sich in einen Rollstuhl und müht sich durch den Sand. So beginnt das “Dschungelcamp“ für Behinderte. Um die Kontroverse in Grenzen zu halten, ist die Realityshow nur gespielt. Der Sender Channel 4, der den Briten schon das echte Realityformat “Big Brother“ schenkte, melkt das Fernsehformat nun ein weiteres Mal. Als Satire und “finsteres Comedy-Drama“ bezeichnet der Privatsender die Serie “Cast Offs“, was soviel bedeutet wie “Die Verstoßenen“. Dabei soll einerseits Reality-TV mit schwarzem Humor aufs Korn genommen werden.
Andererseits sollen Behinderte als Menschen porträtiert werden, die “nicht mehr und nicht weniger verkorkst“ sind als ihre Mitmenschen. So reißt die gehörlose Gabriella Witze über die kleinwüchsige Carrie, sie könne deren Lippen nicht lesen, weil die zu klein seien. Der blinde Tom sitzt faul herum und lässt April, eine Frau mit einem deformierten Gesicht, in dem Camp ein Loch zum “Kacken“ ausheben. Die Camp-Teilnehmer sind Schauspieler. Doch diese haben wirklich die dargestellten Behinderungen. Nur die Dialoge haben ihnen renommierte Autoren in den Mund gelegt. “Es ist eine gute Sache und hilft den Zuschauern, (Behinderte) zu verstehen“, erklärt Darsteller Tim Gebbels, der Tom spielt. Behinderte seien im Fernsehen bisher klischeehaft als “Superkrüppel“ oder “Opfer“ gezeigt worden.
Bemühung um Normalität
Auch seine Schauspielkollegin Victoria Wright, die an Cherubismus leidet und deren Kinn dadurch stark verformt ist, beklagt Stereotype. “Behinderte wurden bisher als “traurig und bedauernswert“, “tragisch aber tapfer“ oder als “verbittert und seltsam“ dargestellt.“ Freddy Krueger oder der James-Bond-Bösewicht Blofeld seien Beispiele, wo ein entstelltes Gesicht für das Böse des Charakters stehe. Doch die jetzigen Bemühungen der Fernsehmacher um Normalität kommen oft etwas verkrampft rüber. “Lachen erlaubt!“, scheint als Motto über der Serie zu schweben. Die Teilnehmer reden übers “Bumsen“ und über “Vaginas“, reißen zotige Witze und beleidigen sich. In der ersten Folge stellen sie sich auf der Insel als “Affen“ mit ihren jeweiligen Behinderungen vor.
Genauso bemüht provokant wirkt die Szene, in der Dan im Pub mit einer Frau knutscht und sie für eine Prostituierte hält, weil sie sich mit ihm abgibt. Dennoch. Channel 4 hofft auf einen Erfolg der Spätabend-Serie. Immerhin wurde das Format im Vorfeld eher positiv aufgenommen. Denn allgemein laufen derzeit Bemühungen, Vorurteile gegenüber Behinderten im Fernsehen abzubauen. In einem weiteren britischen Sender, Channel Five, liefen zuletzt Nachrichten, in denen der Sprecher ein entstelltes Gesicht hatte.
Auch behinderte Zuschauer zeigen sich zufrieden: “Die Art und Weise, wie behinderte Menschen im Fernsehen gezeigt werden, wird besser“, sagte Stacey Finnigan der Zeitung “Independent“. Und die Zuschauerin Rebecca Young, die wie Finnigan auch auf einen Rollstuhl angewiesen ist, findet: “Das beste an der Show ist, dass sie zeigt, dass Krüppel ein Haufen verschiedener Menschen sind, die trinken, gelegentlich Sex haben und manchmal unverschämt zueinander sind. Genauso wie alle anderen Leute auch.“
dpa